Die Startliste des GP Kanton Aargau (72h-Liste) finden Sie hier.
Schlagen die Schweizer wieder zu? Nach einer Durststrecke von fast zehn Jahren – 2013 hatte mit Michael Albasini letztmals ein Schweizer gewonnen – schwang vor Jahresfrist der Berner Marc Hirschi beim «Grossen Preises des Kantons Aargau» obenaus. Gespannt sind die Radsportfreunde nun darauf, ob es bei der diesjährigen 59. Austragung des Hauptrennens der Gippinger Radsporttage, die seit 2016 in Leuggern zu Ende gehen, wieder einen Schweizer Sieg gibt.
Bei dem am Freitag, dem 9. Juni, stattfindenden Hauptrennen der Radsporttage ist die Konkurrenz zwar gross. Am Start zum grössten Eintagesrennen der Schweiz werden 23 Teams sein, von denen deren neun den Status von World-Tour-Teams haben. Und obwohl einige Schweizer, wie Lokalmatador Silvan Dillier (Schneisingen ), fehlen, gehen so viele Einheimische an den Start wie seit Jahren nicht mehr. Und diese Eidgenossen streben den Sieg an, sie wollen nicht nur dabei sein.
Die Besetzung des diesjährigen «Grossen Preises des Kantons Aargau» ist einmal mehr hervorragend. Wie vor Jahresfrist werden neun World-Tour-Teams am Start sein. 2021, als nach einem Corona-Unterbruch der «Grosse Preis des Kantons Aargau» wieder ausgetragen wurde, waren noch sechs World-Tour-Teams am Start. Die Teilnahme dieser schönen Zahl der grössten Radteams zeigt, dass die Hauptprüfung der grössten Radsporttage des Aargaus in Radsportkreisen nach wie vor einen grossen Stellenwert hat. Vor Jahresfrist waren es noch der Kampf um die World-Tour-Plätze und die zu gewinnenden Punkte für die Weltrangliste, welche die Top-Teams ins Aaretal lockten. Nun sind diese Plätze für die nächsten drei Jahre vergeben.
Neu fährt die französische Equipe «Arkea-Samsic» seit dieser Saison auf World-Tour-Niveau. Die Mannschaft hat sich ebenso wie acht andere World-Tour-Teams für den «Grossen Preis des Kantons Aargau» gemeldet.
Ist Hirschi auch dieses Jahr wieder vorne dabei?
Angeführt wird das Teilnehmerfeld von der Mannschaft «UAE Team Emirates ». Dieser Mannschaft gehört auch Überflieger Tadej Pogacar an. Der Slowene, der in diesem Frühjahr mit Paris–Nizza, Flandern-Rundfahrt, Amstel Gold Race und der Flèche Wallonne bereits vier der wichtigsten Rennen gewonnen hat, wird jedoch am 9. Juni in Leuggern nicht am Start sein. Dies auch aus dem Grunde, weil er sich bei einem Sturz am letzten Eintagesklassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich am 23. April am linken Handgelenk mehrere Brüche zuzog. Wie lange Pogacar ausfällt, ist schwer zu beurteilen.
Das machte die Bahn frei für Vorjahressieger Marc Hirschi. Der Berner fuhr bei Lüttich–Bastogne–Lüttich auf den zehnten Platz. Marc Hirschi ist in Leuggern der Titelverteidiger. Der 24-jährige Berner gewann vor Jahresfrist im Sprint vor dem Deutschen Maximilian Schachmann und dem Dänen Andreas Kron. Hirschi sorgte so dafür, dass nach einer Durststrecke von fast zehn Jahren endlich wieder einmal ein Schweizer Erfolg gefeiert werden konnte. Und diesen Sieg möchte Hirschi nun am 9. Juni nur allzu gerne wiederholen.
Mit dem Neuseeländer Finn Fisher-Black, der dieses Frühjahr die erste Etappe der Sizilien-Rundfahrt gewann, dem Belgier Tim Wellens und dem Holländer Sjoerd Bax kommt Hirschi trotz der Sturzverletzungen von Pogacar mit starken Teamkollegen ins Zurzibiet. Wie bei allen Teams ist allerdings auch beim «UAE Team Emirates» nicht ganz klar, wer letztendlich am Start stehen wird: Die definitive Meldung für die Teilnahme müssen die Mannschaften erst 72 Stunden vor dem Rennen abgeben.
Sicher ist, dass sich Marc Hirschi als letztjähriger Sieger die Teilnahme nicht nehmen lassen wird. Dass er beim «Grossen Preis des Kantons Aargau» dabei sein wird, hat Hirschi in einem Fernsehinterview bestätigt.
World-Tour-Teams mit starken Fahrern
Die Konkurrenz ist schon durch die Teilnahme von acht weiteren Teams aus der World Tour stark. Kein Team scheint in dominierender Form nach Leuggern zu kommen. Das macht die Ausgangslage besonders spannend. Die Franzosen vom Team «AG2R-Citroen» sind so etwas wie die Stammgäste beim «Grossen Preis des Kantons Aargau». Sie sind seit vielen Jahren dabei und werden auch dieses Jahr versuchen, im Kampf um den Sieg mitzureden. Zu dieser Mannschaft gehört der Schweizer Routinier Michael Schär.
Bei der Deutschen Mannschaft «Bora- Hansgrohe» ist der aus Waldshut stammende Nico Denz so etwas wie der Lokalmatador von «ennet dem Rhein». Denz wohnt am nächsten beim Startort Leuggern. Er gewann letztes Jahr die sechste Etappe der Tour de Suisse von Locarno auf die Moosalp und möchte nur allzu gerne in seiner «Heimat» zum Erfolg kommen. Auch Denz kann auf starke Helfer wie den Österreicher Marco Haller, den Kolumbianer Sergio Higuita, in diesem Frühjahr bereits Gewinner einer Etappe der Baskenland-Rundfahrt, sowie den Deutschen Jonas Koch zählen. Bei «Bahrain Victorious» steht mit Gino Mäder ebenso ein Schweizer unter Vertrag wie mit Alexandre Balmer ein anderer Eidgenosse beim australischen Team «Jayco Alula».
«Trek-Segafredo» kommt zwar ohne Schweizer Fahrer nach Leuggern. Aber in diesem Team hat es Spezialisten für Eintagesrennen. Das gilt ebenso für die Belgier von «Intermarché-Circus-Wanty»: Sie gilt es bei Eintagesrennen immer zu beachten. Das gilt auch für die Franzosen von «Covidis» sowie für die neu in die World Tour aufgestiegene Mannschaft «Arkea- Samsic». In diesen Teams hat es gute Sprinter, die trotz der Fahrt über den Rotberg darauf spekulieren, dass es auf der ansteigenden Zielgeraden in Leuggern zum Spurt kommt.
Absteiger dürfen nicht abgeschrieben werden
«Israel – Premier Tech» mit dem Schweizer Routinier Reto Hollenstein und «Lotto Dstny» mit dem holländischen Meister Pascal Eenkhoorn sowie dem Dänen Andreas Kroon, im letzten Jahr in Leuggern Dritter, mussten auf diese Saison zwar aus der World Tour absteigen. Aber sie wollen im Aaretal beweisen, dass sie trotz dieses «Abstiegs» weiterhin zu den besten Teams gehören. Nicht in die höchste Kategorie wechseln wollte auch das Team «Total Énergie» aus Frankreich. In dieser Mannschaft fährt auch Ex-Weltmeister Peter Sagan mit. Er war schon vor Jahresfrist in Leuggern am Start. In dieser Saison kam der dreifache Weltmeister allerdings noch nicht gross auf Touren. Vielleicht kann er gerade beim «Grossen Preis des Kantons Aargau» mit einem Erfolg an seine grossen Zeiten anknüpfen.
Zwei Schweizer Teams und die Nationalmannschaft
Stammgast seit vielen Jahren ist am «Grossen Preis des Kantons Aargau» die Schweizer Nationalmannschaft. Das Nationalteam wird von Michael Albasini geleitet. Er gewann zweimal, in den Jahren 2011 und 2013, in Gippingen. Wie weit die Routiniers in den Farben der Nationalmannschaft seine Tipps brauchen, wird sich zeigen. Mit dem Zürcher Unterländer Fabian Lienhard und Mountainbike-Weltmeister Nino Schurter sowie den beiden Bahn-Routiniers Claudio Imhof und Simon Vitzthum sind in der Nationalmannschaftsfahrer dabei, die schon verschiedentlich beim «Grossen Preis des Kantons Aargau» positiv aufgefallen sind.
Nebst der Nationalmannschaft sind mit «Q 36,5» und «Tudor» erstmals seit vielen Jahren wieder zwei Schweizer Teams mit von der Partie. In der Mannschaft «Q 36,5» fährt mit Fabio Christen sogar ein Gippinger mit. Er wird sich in seiner Heimat sicherlich von der besten Seite zeigen. Der Puschlaver Matteo Badilatti ist der zweite Schweizer, den es in diesem Team zu beachten gilt. Der Tessiner Mountainbiker Filippo Colombo hat sich bei Paris–Roubaix bei einem Sturz eine Ellbogenverletzung zugezogen, die ihn vom Start in Leuggern wohl noch abhalten wird. Bei «Tudor» gehen mit Roland Thalmann, Nils Brun und Yannis Voisard drei Schweizer ins Rennen. Sie und ihre ausländischen Mannschaftskollegen sind jederzeit für eine Überraschung gut. Mit Strassenmeister Robin Froidevaux und Zeitfahrmeister Joel Suter gehören gleich beide amtierenden Schweizer Meister dieser Mannschaft an. Ob einer von ihnen in Leuggern an den Start geht, wird man erst am Renntag sehen.
Dillier aufgrund Trainingslager nicht mit am Start
Beim «Grossen Preis des Kantons Aargau» nicht am Start sein wird der zweifache Schweizer Meister und Lokalmatador Silvan Dillier aus Schneisingen. Der Zweite des Rennens von 2014 wäre nur allzu gerne auch diesmal am Start: «Meinem Team ‹Alpecin› sage ich jedes Jahr, dass wir in Gippingen fahren sollen. Aber die Mannschaftsleitung will einfach nicht.» Einerseits sollen so kurz vor der Tour de Suisse nicht noch Kräfte in einem Eintagesrennen verbraucht werden. Zudem liegt das Rennen von Leuggern etwas quer im Fahrplan von Dillier und seinen Kollegen vom neu in der World Tour fahrenden Team «Alpecin-Deceuninck»: «Mit Blick auf die Tour de Suisse und die Tour de France steht Anfang Juni bei unserer Mannschaft noch ein Höhentrainingslager in den französischen Alpen im Programm. Dieses geht erst am Freitag, dem 9. Juni, zu Ende.» Also genau an dem Tag, an dem der «Grosse Preis des Kantons Aargau» stattfindet. Dass schon deswegen ein Start in Leuggern für Silvan Dillier nicht möglich ist, nimmt der Schneisinger gelassen: «Nach einem Höhentrainingslager komme ich meistens nicht in Topform an ein Rennen. Diese stellt sich vielmehr erst nach ein paar Tagen ein. So bin ich nicht unglücklich, dass ich aufgrund meines Renn- und Trainingsprogramms in diesem Jahr nicht dabei bin.» Dillier wird zwar nicht in Leuggern, jedoch an der Tour de Suisse und der Tour de France im Einsatz stehen.
Während der zweifache Schweizer Meister also in diesem Jahr beim «Grossen Preis des Kantons Aargau» fehlt, werden verschiedene «kleinere» Mannschaften am Rennen teilnehmen. Diese wollen mehr als Lückenbüsser sein. Zudem sind in diesen Teams verschiedene Schweizer versteckt, die sich vor dem eigenen Publikum bemerkbar machen wollen. So fährt beim italienischen Team «Corratec» der Eidgenosse Jan Stöckli. Beim deutschen Team «Sauerland» ist mit Dominic Weiss ein Fahrer aus dem Fricktal mit von der Partie. Für die Österreicher von «Felbermayr-Simplon» fahren der Zürcher Matthias Reutimann und der in der Ostschweiz aufgewachsene Manuel Bosch. Ebenfalls seit Jahren dabei ist die Mannschaft «Vorarlberg». Mit Peter Inauen, Colin Stüssi und Lukas Rüegg fahren drei Schweizer in dieser Mannschaft. Sie werden wie die Fahrer aus den deutschen Mannschaften «Lotto- Kernhaus» und «P&S Benotti», ebenso zur Belebung des Rennens beitragen wollen wie die Fahrer aus dem italienischen Team «MG.K Vis». Im «EF Education-Nippon»-Team sind mit Luca Jenni und Felix Stehli zwei weitere junge Schweizer dabei. Die Fahrer aus den kleinen Mannschaften können angriffig fahren und müssen nicht irgendwelche Taktiken, die am Schluss doch nicht aufgehen, befolgen.
Auch wenn es diesen Kleinen am Schluss wahrscheinlich nicht zum Sieg reicht: Man wird sie beobachten und von ihnen Kenntnis nehmen. Das wird auch bei der 59. Austragung des «Grossen Preises des Kantons Aargau» vom Freitag, dem 9. Juni so sein. Das trägt zweifellos zur Belebung des Rennens bei.
Autor: August Widmer
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